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Der Ängstlich-Vermeidende Bindungstyp: Merkmale, Dynamiken und Unterschiede

Aktualisiert: 31. Jan.

In der Welt der Bindungstheorien gibt es verschiedene Bindungstypen, die beschreiben, wie Menschen Beziehungen führen und emotionale Nähe erleben. Der ängstlich-vermeidende Bindungstyp ist dabei ein besonderer Fall, weil er Merkmale sowohl des ängstlichen als auch des vermeidenden Bindungstyps kombiniert. Diese Personen sind oft von tiefen emotionalen Widersprüchen geprägt und kämpfen sowohl mit dem Wunsch nach Nähe als auch mit der Angst davor. In diesem Artikel schauen wir uns die spezifischen Merkmale des ängstlich-vermeidenden Bindungstyps an, wie man ihn von den anderen Bindungstypen unterscheidet und welche klassischen Verhaltensmuster zu beobachten sind.


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1. Die Bindungstheorie: Ein kurzer Überblick


Bindungstheorien basieren auf den frühkindlichen Erfahrungen, die Menschen mit ihren Bezugspersonen machen. Diese prägen die Art und Weise, wie sie im Erwachsenenalter Beziehungen führen. Zu den vier Hauptbindungstypen gehören:




  1. Sicherer Bindungstyp: Menschen fühlen sich in Beziehungen sicher, haben keine übermäßige Angst vor Nähe oder Verlust und können sich auf ihre Partner einlassen.

  2. Ängstlicher Bindungstyp: Diese Menschen haben ein starkes Bedürfnis nach Nähe, fühlen sich oft unsicher und haben Angst vor Ablehnung oder Verlassenwerden.

  3. Vermeidender Bindungstyp: Menschen mit diesem Bindungsstil haben Schwierigkeiten, sich emotional auf andere einzulassen, ziehen sich bei zu viel Nähe zurück und vermeiden emotionale Abhängigkeit.

  4. Ängstlich-vermeidender Bindungstyp: Diese Gruppe vereint die Merkmale von ängstlichen und vermeidenden Bindungstypen. Sie sehnen sich nach Nähe, stoßen diese aber gleichzeitig weg, aus Angst, verletzt zu werden.



2. Der Ängstlich-Vermeidende Bindungstyp: Ein widersprüchliches Verhalten


Menschen mit einem ängstlich-vermeidenden Bindungsstil sind innerlich zerrissen zwischen dem Wunsch nach Nähe und der Angst vor emotionaler Verletzung. Ihr Verhalten kann daher für ihre Partner und sie selbst verwirrend sein. Typische Merkmale sind:


  • Nähe und Distanz: Sie sehnen sich nach tiefen, intimen Verbindungen, aber sobald die Nähe zu intensiv wird, bekommen sie Angst und ziehen sich zurück.

  • Angst vor Ablehnung: Wie beim ängstlichen Bindungstyp besteht eine starke Angst vor Ablehnung oder Verlassenwerden. Diese Angst führt jedoch nicht dazu, dass sie Nähe suchen, sondern eher dazu, dass sie sich emotional verschließen.

  • Vermeidungsverhalten: Wenn es um Konflikte oder emotionale Verletzungen geht, neigen sie dazu, sich zu distanzieren oder Beziehungen sogar zu sabotieren, anstatt die Probleme direkt anzugehen.

  • Selbstschutz: Der Grund für ihr widersprüchliches Verhalten liegt oft im tiefen Bedürfnis nach Selbstschutz. Sie möchten sich vor potenziellen Verletzungen schützen, indem sie andere auf Abstand halten.



3. Unterschiede zu anderen Bindungstypen


Um den ängstlich-vermeidenden Bindungstyp besser zu verstehen, ist es wichtig, ihn von den anderen Bindungstypen abzugrenzen:


  • Sicherer Bindungstyp: Während sichere Menschen Nähe als etwas Positives empfinden und sich nicht vor emotionaler Intimität fürchten, haben ängstlich-vermeidende Personen tiefe Zweifel an der Beständigkeit und Sicherheit von Beziehungen.

  • Ängstlicher Bindungstyp: Der ängstliche Typ sucht verzweifelt nach Bestätigung und Nähe und hat große Angst vor dem Alleinsein. Im Gegensatz dazu schwankt der ängstlich-vermeidende Typ zwischen diesem Bedürfnis und dem Drang, sich zurückzuziehen, sobald die Nähe zu intensiv wird.

  • Vermeidender Bindungstyp: Vermeidende Menschen scheuen emotionale Intimität und bevorzugen Unabhängigkeit. Während dies auch auf den ängstlich-vermeidenden Typ zutrifft, gibt es hier die zusätzliche Komponente des Wunsches nach Nähe, die jedoch gleichzeitig abgelehnt wird.


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4. Klassische Verhaltensmuster des Ängstlich-Vermeidenden Bindungstyps

Menschen mit einem ängstlich-vermeidenden Bindungsstil zeigen oft folgende typische Verhaltensweisen in ihren Beziehungen:


  • Ambivalenz in Beziehungen: Einerseits sehnen sie sich nach einer tiefen, emotionalen Verbindung, andererseits können sie sich bei zu viel Nähe überwältigt fühlen und sich emotional zurückziehen.

  • Widersprüchliche Signale: Sie senden gemischte Signale an ihren Partner. In einem Moment zeigen sie Zuneigung und Nähe, im nächsten ziehen sie sich zurück oder verhalten sich kalt.

  • Übertriebener Rückzug: In Konfliktsituationen oder emotional stressigen Momenten neigen sie dazu, sich komplett zurückzuziehen oder sich emotional "abzukoppeln", um Verletzungen zu vermeiden.

  • Angst vor Abhängigkeit: Ängstlich-vermeidende Menschen fürchten oft, in einer Beziehung abhängig zu werden, und meiden daher Situationen, in denen sie emotional "zu nah" kommen könnten.

  • Perfektionismus und Kontrolle: Oft versuchen sie, die Kontrolle über ihre Gefühle und Beziehungen zu bewahren, was sich in einem hohen Maß an Perfektionismus und rigiden Standards äußern kann.



5. Warum entsteht dieser Bindungstyp?


Der ängstlich-vermeidende Bindungstyp entwickelt sich in der Regel durch widersprüchliche Erfahrungen in der Kindheit. Diese Menschen haben oft Eltern oder Bezugspersonen erlebt, die ihnen einerseits Liebe und Zuneigung gezeigt haben, andererseits aber emotional nicht verlässlich waren oder die Nähe immer wieder entzogen haben. Diese ambivalenten Erfahrungen prägen dann das Beziehungsmuster im Erwachsenenalter.



6. Beziehungsmuster und Herausforderungen

In Beziehungen haben Menschen mit einem ängstlich-vermeidenden Bindungsstil oft Schwierigkeiten, sich auf einen Partner einzulassen. Die Beziehung verläuft oft in einem ständigen Auf und Ab zwischen Nähe und Distanz. Typische Herausforderungen in der Partnerschaft sind:


  • Emotionale Unsicherheit: Da diese Personen sowohl Nähe suchen als auch fürchten, haben sie oft das Gefühl, emotional unsicher und instabil zu sein. Das führt zu Stress und Verwirrung in der Beziehung.

  • Bindungsangst: Aufgrund ihrer tiefen Angst vor Verletzungen und Abhängigkeit haben sie Schwierigkeiten, sich langfristig emotional auf einen Partner einzulassen.

  • Ständige Selbstzweifel: Sie zweifeln oft an ihren eigenen Gefühlen sowie an den Absichten ihres Partners. Dies führt zu Misstrauen und Beziehungsproblemen.


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7. Wie erkennt man diesen Bindungstyp?


Wenn du jemanden mit einem ängstlich-vermeidenden Bindungsstil erkennst, wirst du häufig folgende Verhaltensweisen beobachten:

  • Sie wollen Nähe, aber sobald sie zu stark wird, ziehen sie sich zurück.

  • Sie wechseln oft zwischen intensiver Zuneigung und emotionalem Rückzug.

  • Sie haben Schwierigkeiten, in Beziehungen Vertrauen zu fassen und befürchten oft, verletzt zu werden.

  • Sie fühlen sich in Beziehungen schnell überfordert und ziehen sich in Phasen emotionaler Überlastung zurück.



8. Wie kann man mit einem ängstlich-vermeidenden Bindungstyp umgehen?


Für Partner, die mit einem ängstlich-vermeidenden Menschen zusammen sind, kann die Beziehung oft eine Herausforderung darstellen. Es ist jedoch möglich, durch Verständnis und Geduld eine stabile Beziehung zu führen. Einige Ansätze sind:


  • Geduld und Raum: Geben Sie dem Partner Zeit und Raum, sich emotional zu öffnen. Drängen Sie nicht zu stark auf Nähe, da dies zu Rückzug führen kann.

  • Klare Kommunikation: Seien Sie offen über Ihre eigenen Bedürfnisse, aber achten Sie darauf, Ihrem Partner zu signalisieren, dass Sie seine Grenzen respektieren.

  • Selbstreflexion: Menschen mit diesem Bindungsstil müssen sich ihrer widersprüchlichen Gefühle bewusst werden und daran arbeiten, ihre Ängste zu überwinden.



9. Heilungswege: Schritte für den ängstlich-vermeidenden Bindungstyp


Für Menschen mit einem ängstlich-vermeidenden Bindungsstil ist der Weg zur Heilung und zu gesünderen Beziehungen ein Prozess der Selbstreflexion und bewussten Veränderung. Hier sind einige Schritte, die helfen können:


  1. Erkennen und Bewusstsein schaffen: Der erste Schritt ist, sich der eigenen emotionalen Reaktionen bewusst zu werden. Menschen mit diesem Bindungsstil sollten lernen, Momente des Wegrennens (emotionaler Rückzug) oder die Angst vor dem Verlassenwerden bewusst zu erkennen. Oft passiert es, dass diese Emotionen unerwartet hochkommen und man automatisch in bekannte Verhaltensmuster verfällt. Ein genaueres Bewusstsein für diese Situationen hilft sie in der Zukunft früher zu erkennen und besser damit umzugehen. Es ist wichtig zu beobachten, wann diese Emotionen aufkommen und was sie auslöst.

  2. Reflexion und Rationalisierung: Nachdem man diese Momente erkennt, geht es darum den Ursprung dieser Reaktionen zu reflektieren. Oft liegen diese tief verwurzelten Ängste in alten Erfahrungen, wie in der Kindheit oder vergangenen Beziehungen. Diese Reflexion sollte dazu führen, dass die Person die aktuellen Umstände rationalisiert. Die Beziehung und Situation von heute ist nicht die von damals und die alte Schutzstrategie ist möglicherweise nicht mehr notwendig. Es kann hilfreich sein sich bewusst zu machen, dass diese Ängste heute nicht mehr in der gleichen Form realistisch sind, wie in der Vergangenheit.

  3. Entwicklung neuer Denkmuster und Handlungswege: Der nächste Schritt besteht darin, alternative und gesunde Verhaltensmuster zu entwickeln. Statt sich sofort emotional zurückzuziehen oder in Panik zu verfallen, können neue Wege der Reaktion und Kommunikation geübt werden. Das könnte bedeuten sich bewusst Raum zu nehmen, um über die eigenen Gefühle nachzudenken, anstatt automatisch zu fliehen oder sich zu verschließen. Dies erfordert Übung und Geduld, da es darum geht alte, automatisierte Muster zu durchbrechen und durch neue zu ersetzen. Hier kann es sehr hilfreich sein Unterstützung durch einen Coach oder Therapeuten in Anspruch zu nehmen, da diese Prozesse oft tief emotional verankert sind und externe Unterstützung bei der Reflexion und Veränderung sinnvoll ist.


Die Arbeit an diesen emotionalen Mustern ist nicht einfach, aber sie kann zu nachhaltigeren und gesünderen Beziehungen führen. Mit der Zeit wird es möglich, sowohl Nähe als auch Unabhängigkeit in Beziehungen zu integrieren, ohne in extreme Verhaltensweisen zu verfallen.



Fazit


Der ängstlich-vermeidende Bindungstyp vereint die Herausforderungen von ängstlichen und vermeidenden Verhaltensmustern in Beziehungen. Es handelt sich um ein tief widersprüchliches Verhalten, das aus der Furcht vor emotionaler Verletzung und gleichzeitig dem Bedürfnis nach Nähe entsteht. Das Erkennen und Verstehen dieses Bindungstyps ist der erste Schritt, um gesündere Beziehungen zu führen, sei es als Person mit diesem Bindungsstil oder als Partner, der sich in einer solchen Dynamik befindet.

Durch Geduld, Reflexion und das Arbeiten an der eigenen emotionalen Sicherheit können Menschen mit einem ängstlich-vermeidenden Bindungsstil lernen, gesündere und stabilere Beziehungen aufzubauen.

 
 
 

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